… Audi in den 1970er-Jahren seinem Coupé S eine exklusive GT-Variante zur Seite gestellt hätte? Eine Antwort auf diese Frage gibt Niklas Frist aktuell mit seinem Edel-Audi. Text & Fotos: Ansgar Wilkendorf.
Der junge Niklas schaute aus dem Fenster seines Klassenzimmers auf den Lehrerparkplatz. Unter den vielen Autos, die da standen, interessierte den Schüler allerdings nur ein einziges: ein Audi 100 Coupé S von 1972.
Der Audi 100 mit der Heckpartie im Italo-Design eines Maserati Ghibli der späten 1960er-Jahre, zumindest aber eines Fiat Dino jener Zeit hatte es Niklas angetan. Das Auto hätte er gerne. Es gab da nur ein Problem oder eigentlich zwei: Erstens fehlte ihm das Geld dafür und zweitens gehörte der Wagen seinem Mathelehrer.
Doch als die Schulzeit herum war, bekam der damals 17-Jährige 1989 tatsächlich die Gelegenheit, seinem ehemaligen Lehrer den Wagen für 19.000 Kronen, also rund 1.800 Euro, abzukaufen. Um das Geld aufzubringen, musste er schweren Herzens sein Moped verkaufen. Dafür besaß er nun endlich sein Traumauto. „Die erste Fahrt brachte mich aber schnell aus der Welt der Träume zurück“, schmunzelt Niklas.
„Die Kopfdichtung hatte sich verabschiedet, sodass ich nur langsam nach Hause rollen konnte. Trotzdem war das tolle Gefühl nicht zu schlagen.“ Aber das gab sich mit der Zeit. Ausbildung und Job ließen ihm einfach nicht den Raum, die angefangene Restaurierung weiterzuführen, und so geriet das Auto zunächst mehr und mehr in Vergessenheit. „Eine Art Shelby-Version von Audi“
„Rechtzeitig zu meinem 40. Geburtstag entschied ich mich, dem Audi neues Leben einzuhauchen“, erinnert sich Niklas, der wie sein Coupé Baujahr 1972 ist. Doch er wollte es nicht bei einer Restauration belassen: „In seiner Zeit gab es nie ein Performance-Paket oder eine exklusive GT-Variante für das Coupé. So eine Art Shelby-Version von Audi. Das wollte ich jetzt im Nachhinein ändern.“
Vorher gab es aber noch jede Menge Blecharbeiten zu erledigen. „Der Body sah anfangs ja ganz gut aus“, erzählt der Schwede. „Doch als der Sandstrahler seine Arbeit beendet hatte, war davon nicht mehr ganz so viel übrig.“ Für Niklas kein Grund zur Beunruhigung: Über mehrere Empfehlungen war er nämlich an Dan Johansson in Degefors geraten, einen „Karosseriebauer und Blechkünstler“, der bis dato hauptsächlich amerikanische Autos gestylt hatte. Trotzdem verstand er schnell, worauf sein Auftraggeber hinaus wollte. „Das Auto wurde nach den Rädern geformt“, grinst Niklas, „und wuchs entsprechend in die Breite.“ Die Radläufe stammen vom Golf 1 und, dass auch die Endspitzen verbreitert wurden, erkennt man am Abstand zum original gebliebenen Stoßfänger. „Früher konntest du da locker einen Finger durchstecken, heute ist da kaum Platz für ein Haar.“ Im Zuge der Karosseriearbeiten wurde der Tankeinfüllstutzen eine Etage höher in die C-Säule verlegt. Den hier von Dan eingeschweißten Stutzen hat der Besitzer des Coupés übrigens aus einem Victory-Motorrad-Tank geschnitten.
Die Mischung macht’s!
Unter dem neuen Kofferraumboden ist nicht nur die Zuleitung zum Tank verschwunden, sondern auch der Kompressor, die Ventile und der Luftkessel des von Niklas implantierten Airex-Luftfahrwerks. Zuvor hatte er aber noch den kompletten Antriebsstrang modifiziert. In Kooperation mit Bäcks Engine Overhauling erhielt zunächst der Motor ein Update inklusive Zylindererweiterung, Kopfbearbeitung, Weber-Beatmung etc. Das Getriebe stammt aus einem 1975er-Modelljahr, sodass die vorderen Bremsen, die man beim 72er Coupé rechts und links direkt an der Schaltbox findet, nach außen in die Räder verlegt werden konnten. Vorne wie auch auf der vom Golf 3 GTI stammenden Hinterachse ist eine Vier-Kolben-Bremsanlage vom Dreier-Golf mit 330 Millimeter innenbelüfteten Scheiben verbaut.
Den Kontakt zum Asphalt halten 225/30er Michelin-Pilot-Super-sport-Reifen auf Dotz SP5 Dark in der Dimension 18 Zoll. Die exklusive GT-Variante bekam natürlich auch eine exklusive Lackierung. Der Lack namens „Casino Royal GT Grey Metallic“ kommt aus der Supersportwagen-Schmiede Aston Martin.
Exklusiv ist auch die Innenausstattung. Hanngrens Car Interiour hat hier eine tolle Arbeit abgeliefert. Beide Sitzreihen wurden aufgepolstert und mit Rau- und Glattleder neu bezogen. Passend dazu verfuhren die Polsterer mit den Tür- und Seitenverkleidungen sowie dem Armaturenbrett. Auf Kopfstützen und Fußmatten findet man eingestickte weiße Schriftzüge „Coupé S/GT“. Von Hand gebürstetes Aluminium hat derweil die Holzoptik im Armaturenbrett ersetzt. Das Luisi-Sportlenkrad bekam einen neuen Lederkranz und der Schalthebel einen Simoni-Racing-Schaltknauf.
Unterwegs genießt Niklas den dezent sonoren Sound der 2,5-Zoll-Ferrita-Edelstahlauspuffanlage. Hin und wieder geht es beim Hardrock-Fan etwas lauter zu. Dazu hat er mit Unterstützung von Kumpel Racer Putte und AVD Sundvall für ein passendes Soundpaket gesorgt. Im Fußraum arbeitet das Zweiwege-Frontsystem El Comp 5 von U-Dimension. Unter der Rückbank sorgen zwei Prox-8-Subwoofer, eben- falls von U-Dimension, für fette Bässe.
Viel Zeit zum Herumfahren bleibt Niklas allerdings nicht. Es ist nicht nur der Job als Marketingleiter für Motorräder der Marke Indian, der ihn vereinnahmt. Es ist auch sein neues Projekt, das er vielsagend „Overkill“ nennt. Es ist wieder der gleiche Typ, diesmal jedoch Baujahr 1975. So viel wird schon verraten: „Was wäre, wenn Audi ein heckgetriebenes S-Coupé mit einem V8-Kraftwerk unter der Haube gebaut hätte …“
- Der Tankeinfüllstutzen stammt von einem Motorrad und wurde in die C-Säule hinter die Kiemen verlegt
- Golf-Naben sei Dank: Hinter den Dotz-Felgen verzögert eine Golf-3-Bremsanlage.
- Alter Schwede: Niklas Frisk und sein Audi 100 Coupé S sind beide Baujahr 1972
- Exklusive Innenausstattung mit gebürstetem Alu, Rau- und Glattleder
- Krasse Konsole custom made 4. Im Fußraum ist das Soundboard untergebracht
Der glänzend überarbeitete Vierzylinder leistet mittlerweile 136 PS
Wer Tuningteile, die sich gegenseitig beeinflussen, ohne Freigabe in den Prüfzeugnissen kombiniert und mit seinem Auto auf öffentlichen Straßen fahren möchte, kommt in Deutschland nicht um eine Begutachtung gemäß § 21 StVZO herum. Tipp: Lasst euch bereits vor dem Beginn umfangreicher Umbauten von einem Sachverständigen beraten. Der Experte weiß, ob das geplante Tuning genehmigungsfähig ist und kann Auskunft zu den zu erwartenden Begutachtungskosten geben.
Name: Niklas Frisk
AUDI 100 COUPÉ S (1972)
Motor: 1,9-Liter-Vierzylinder (Serie: 112 PS), Zylinder auf 2,0-Liter aufgebohrt, Schwungrad ausgewogen, Kopf bearbeitet und geplant, große Ventile, Sportnockenwelle, Ajden-Racing-
Ansaugkrümmer, zwei 45er-Weber-Doppelvergaser, 123-Zündanlage, Red-devil-Kraftstoffpumpe,
Alu-Benzinleitungen mit AN8-Anschlüssen, Spezial-Alu-Kühler, E-Lüfter, Leistung 136 PS
Fahrwerk: Airex-Luftfahrwerk, Golf-3-Radnaben vorne, Golf-3-GTI-Hinterachse
Rad/Reifen: Dotz SP5 Dark 8 x 18 Zoll mit Michelin Pilot Supersport in 225/30 R20
Karosserie: Totalrestauration, Eigenbau-Frontspoiler, Golf-1-Radläufe verbreitert von Dan
Johansson, Dagefors; Endspitzen verbreitert, Tankeinfüllstutzen versetzt, Vertiefung für hinteres
Kennzeichen, Lackierung in „Casino Royal GT Grey Metallic“ von Aston Martin
Car-Hifi: Retro-Stereo-Radio, Excursion-HXA30-Endstufe für Zweiwege-Frontsystem El Comp 5
von U-Dimension, Excursion-HXA2K-Endstufe für Prox-8-Subwoofer von U-Dimension unter der
Rückbank, Hollywood-Kabel und -Batterie
Interieur: Luisi-Lenkrad mit Leder bezogen, Original-Sitze und Rückbank neu aufgepolstert und mit Rau- und Glattleder bezogen (Hangreens Car Interiour), Speedhut-Instrumente mit S/
GT-Schriftzug, Simoni-Racing-Schaltknauf, Coupé/SGT-Stickereien in den Kopfstützen und
Fußmatten, Custom-Konsole, neue Gurte
Bremsen: Vier-Kolben-Bremsanlage vom Golf 3 mit 330 mm innenbelüfteten Scheiben vorne und hinten
Auspuff: Ferrita-2,5-Zoll-Edelstahlanlage mit 3-Zoll-Endrohren
Danke an: Racer Putte und AVD Sundvall