Schon 2016 hat sich Porsche getraut, den 718 Cayman mit einem Vierzylinder auf den Markt zu bringen. Jetzt traut sich Renault sogar, die Alpine A110 wiederzubeleben. Einen kleinen, leichten, wendigen Sportwagen – völlig gegen den Trend der Neuzeit.
Die trauen sich was
Die Alpine ist nur drei Millimeter schmaler als der Cayman – fühlt sich aber deutlich zierlicher an
Historisch betrachtet ist die neue Alpine A110 mittlerweile wohl bis zur Erschöpfung erklärt worden. Sparen wir uns deshalb weitere Nostalgietrips und bleiben achtsam – verankert im Hier und Jetzt. Denn da fliegt gerade so eine leckere Linksbergauf herbei. Linkskurven sind beliebt, weil übersichtlich, Bergaufpassagen, weil sich ein Teil der überschüssigen Energie im Zweifel von selbst abbaut. Eine Linksbergauf ist also ein echtes Sahneschnittchen. Und das wird uns gerade serviert – auf dem Silbertablett (nix los plus warm und trocken sowie griffiger Asphalt). Leicht anbremsen, herunterschalten, einlenken. Radlastverschiebung: Das Chassis neigt sich, drückt aufs rechte Vorderrad, es greift, klinkt sich in den Radius ein. Hinten dagegen wird es der Alpine leicht ums Herz und dem Fahrer ebenso, weil er kurz den Hauch der Ewigkeit spürt. Das ist jetzt erklärungsbedürftig.
Dieser Moment ist vergleichbar dem Totpunkt auf der Schaukel, kurz vor der Umkehr. Wer nur achtsam genug ist, der empfindet diesen Moment intensiver und länger, als er im Sinne der Zeitmessung eigentlich ist. Und diesen Zustand kann man im Sportwagen erlangen – sofern es die Alpine ist. In der Linksbergauf kommt der Moment, wenn die Hinterachse in schwereloser Neutralität schwebt, sich der Fahrer als Teil einer Gleichung aus Haft- und Gleitreibung, Vortrieb und Hangabtriebskraft fühlt und diese nach Newton geteilt durch Fahrspaß ableitet. Ein Moment des großen Glücks im kleinen Auto. Mathematiker und Physiker werden jetzt mit den Augen rollen, Ingenieure wohl auch. Vor allem, wenn sie an der Abstimmung des 718 Cayman beteiligt waren. Denn die Stoßrichtung der Entwicklung war nicht erlebnis-, sondern ergebnisorientiert.
Also (auch) Ergebnisse im Sinne von Messdaten. Gut ist, was schnell macht – etwa ein Optionsarsenal von Adaptivdämpfern (1428 Euro), Hinterachssperre (1309 Euro) und Sport- Chrono-Paket (2225 Euro). Damit ringt der Cayman die Al pine hier im Vergleichstest in fast allen dynamischen Disziplinen nieder – aber teilweise nur knapp. 146,1 zu 138,5 km/h beim schnellen Ausweichen. 69,7 zu 68,0 km/h beim Slalom. 4,8 zu 4,9 Sekunden beim Beschleunigen auf Tempo 100. 34 zu 34,8 Meter beim Bremsen aus 100 km/h. Überall brilliert der Porsche. Nur nicht auf der Waage, da steht es 1442 zu 1109 Kilogramm. 333 Kilogramm schwerer: Dabei war der Cayman zunächst, also 2005, so etwas wie eine Alpine von Porsche.
Ein leichtfüßiger Wusler, der überall hindurchschlüpfte und in keinem Nadelöhr hängen blieb. Er löste damit den Rubens-hintrigen 911 als Fahrmaschine ab: Wer Porsche mit Sportwagen gleichsetzte, wählte damals den Cayman (S), wer in der Marke vor allem einen Image-Booster sah, der griff weiterhin zum 911. Mittlerweile hat der Zeitgeist auch den Cayman korrumpiert. Zierlich? Längst nicht mehr. Er ist so groß geworden, dass da von unten schon wieder ein wirklich kleines Modell nachreifen müsste. Doch das trauen sie sich bei Porsche nicht – Renault hat da weniger Skrupel. Da hat man den Mumm, korpulente Kunden mit schmalen Schalensitzen abzuschrecken. Man hat die Traute, sogar auf ein Handschuhfach zu verzichten, um die schlanke Linie zu wahren. Und zufällig entstandene Hohlräume als Kofferräume zu deklarieren. Größenwachstum lässt sich im Automobilbau nicht aufhalten? Wohlfeiles Geschwätz!
2019 Alpine A110 VS 2019 Porsche 718 Cayman
Keine Lehnenverstellung
Bei Renault Sport, wo die Alpine entwickelt wurde, geben sie nichts darauf. Die Ingenieure setzten um, was sie für richtig hielten. Und nicht das, was der Vertrieb forderte (nämlich große, alleskönnende Sportwagen). Also wird da eine grazile Karosserie aus Aluminium geschweißt, geklebt und genietet, dazu die Première Edition serienmäßig mit allem Notwendigen bestückt – von Klimaanlage über Infotainment bis hin zu zwei Schalensitzen ohne Lehnenverstellung. Wer aufrechter sitzen möchte, muss zum Schraubenschlüssel greifen und die Schale in ihrer Einfassung nach vorn gekippt um ein Loch tiefer einschrauben – oder Sitze mit Verstellung ordern.
Wer es generell luxuriöser haben möchte, ist mit dem Porsche besser bedient, denn der lässt sich gegen viele große Scheine behaglich ausstaffieren. Dann wird er nochmals schwerer, was nicht viel ausmacht, denn der Cayman fühlt sich gegenüber dem A110 ohnehin stattlich an. Satt krallt sich der 718 in den Asphalt, fährt wie auf Schienen, liegt wie ein Brett. Sie kennen diese Vergleiche. Sie beschreiben ein Auto, das stoisch jedem Streckenverlauf folgt, sich keinerlei kleine Fluchten gönnt. Dabei helfen die schluckfreudigen Adaptivdämpfer ebenso wie das steife Chassis und eine Lenkung, die Störgrößen wegfiltert.
Außerdem eine Fahrwerksgeometrie, welche Längsstabilität sogar in Kurven bietet. Übersteuern? Bloß nicht. Untersteuern? Ja, aber bei einem Tempo, das man auf der Landstraße nicht in Erwägung zieht – wir haben es erst auf der Teststrecke erreicht. Bemerkenswert am Cayman: Er bleibt stets die Ruhe selbst. Und sendet damit das Signal: „Du bist zu langsam, da geht noch mehr.“ Der Punkt der Befriedigung, an dem man nicht nur schnell ist, sondern sich auch schnell fühlt, will nicht eintreten. Der Zweisitzer gibt sich querdynamisch gelangweilt, zeigt keinerlei Mittelmotor-Attitüde. Er giert nicht, dreht nicht ein. Still ruht das Heck. Anders ausgedrückt: kein Moment der Ewigkeit zu spüren. Stattdessen vergeht die Fahrt im ereignisarmen Schnelldurchlauf.
Alpine A110
Klein und leicht – ein aus der Mode gekommenes Erfolgsrezept. Es funktioniert immer noch
2019 Alpine A110 dashboard
333 kg beträgt der Gewichtsvorteil des A110 vollgetankt, aber ohne Fahrer. Während der A110 nur 1109 Kilogramm wiegt, bringt der Cayman 1442 kg auf die Waage
Auslegungen dieser Art mögen Rennfahrer, denn sie sind damit auf ihren sauber gefahrenen Turns immer unaufgeregt schnell. Wer also auf seiner Hausstrecke reproduzierbare Runden hinlegen möchte, wählt den Porsche. Zur Konsistenz trägt der Vierzylinder-Boxer bei; er verkneift sich exzessiven Leistungseinsatz. Hat man das Turboloch durchstiegen, wuchtet der Zweiliter ebenmäßig los.
Die angetriebene Hinterachse kann das Drehmoment sukzessive abarbeiten und lässt es sich hierfür vom SiebengangPDK situationsgerecht portionieren. Dennoch fällt das Doppelkupplungsgetriebe etwas aus der akkuraten Abgeklärtheit des Cayman heraus: Es wirkt übermotiviert, denn selbst im Komfortmodus schaltet es beim Gasgeben zwei, drei oder gar vier Wellen zurück. Dabei lägen für den strammen Durchzug jederzeit genug Nm an. Gleiches gilt beim Anbremsen vor Ortsschildern – man orgelt im zweiten Gang in die Siedlung. Und es dauert einen peinlichen Moment zu lange, bis wieder eine höhere Übersetzung eingelegt ist.
Da ist die Siebengang-Box der Alpine gelassener, lässt den A110 auf seiner eigenen Drehmomentwelle reiten. Zieht man im Track-Modus am Lenkradpaddel, fügt der Doppelkuppler beim Herunterschalten eine fein komponierte Zwischengas-Salve hinzu, fernab von vulgärer Silvesterböllerei. Wie sie dem 1,8-Liter-Turbo generell bei Renault Sport eine animierend raue Stimme verliehen haben, neben der das unwuchtige Boxer-Rumpeln des 718 Cayman noch unwürdiger klingt.
2,9 s braucht der A110, um von 80 auf 120 km/h zu beschleunigen. Der stärkere, aber schwerere Cayman benötigt hierfür 0,2 Sekunden länger
Herrlich unvernünftig
252 PS lesen sich heutzutage eher gemächlich. Doch wenn sie nur 1109 Kilogramm plus Fahrer zu bewegen haben, passt das Leistungsgewicht auf einmal ganz hervorragend. Und es ergibt sich ein sensationell niedriger Testverbrauch: 7,8 zu 9,6 l/100. Da kommt einem die Alpine auf einmal ausgesprochen vernünftig vor. Zumal sie als Première Edition so gut ausgestattet ist, dass der Cayman dagegen nackt dasteht. Und zumal Alpine für drei statt für zwei Jahre die Garantie übernimmt. Dabei haben sie bei Renault Sport alles vermieden, um ein vernünftiges Auto auf die nicht einmal sonderlich breiten Räder zu stellen.
Herausgekommen ist ein herrlich unvernünftiger Kurvenräuber, rein hedonistisch nur der Freude am Fahren verpflichtet. Übrigens auch am Querfahren, wenn man das möchte.Dafür geht man in den Trackmodus und deaktiviert zusätzlich das ESP. Dann reicht es, auf einer Handlingstrecke wie in Boxberg mit leichtem Überschusstempo einzulenken, kurz zu warten, bis sich die Karosserie neigt und die Achslastverschiebung das Heck erleichtert. Ohne fahrdynamische Zügel schwingt es weich herum, lässt sich wunderbar mit Drehmoment stabilisieren. Und mit der präzise rückmeldenden Lenkung im Winkel fein justieren.
Wunderbar übrigens auch, dass sich der A110 auf der Landstraße keinen Deut widerborstig gibt. Nicht kippelig, nicht einmal sonderlich anfällig für Lastwechsel. Trotzdem steckt Leben in seinem Chassis. Es arbeitet die ganze Zeit hoch motiviert, analysiert den Fahrbahnbelag, informiert über die Griffigkeit, ringt Bodenwellen nieder.
Das zierlichere Auto hat die bessere Rundumsicht – auch das trägt zu mehr Fahrspaß auf der Landstraße bei
Porsche Cayman
Groß, bequem, multimedial ausgestattet – so baut man Sportwagen. Der Kunde möchte das, heißt es
Einfach ein paar Häkchen bei den Lederoptionen setzen, schon zieht der Luxus ins Cockpit ein. Allein die adaptiven Sportsitze kosten 3273 Euro. Immerhin serienmäßig: genügend Raum, um Reisegepäck für zwei zu verstauen
Das fühlt sich einfach immer sauschnell an, während der Porsche unterfordert um die Kurven schient. Und mit seiner perfektionistischen Sachlichkeit die Eigenschaftswertung deutlich gewinnt. Dabei helfen ihm für Sportwagen eher zweitrangige Kriterien wie Bedienung, Funktionalität sowie Sicherheits- und Multimedia-Angebot, mit denen er im Wesentlichen seinen Punktevorsprung holt.
Die Alpine retourniert ebenso sportwagenuntypisch: über den Preis – als Première Edition kommt sie für 58 000 Euro voll ausgestattet. Rüstet man den Porsche ähnlich aus, liegt er bei mindestens 67 000 Euro. Das reicht am Ende für eine kleine Sensation: Der A110 schlägt den 718 Cayman knapp.
FAZIT
ALPINE Fahrspaß geht hier über alles. Deshalb entscheidet man sich für die Alpine – und erhält einen erfreulich gut ausgestatteten und im Verbrauch sparsamen Landstraßen-Terrier
PORSCHE Mit teuren Optionen ist er fahrdynamisch top, doch auf der Landstraße fehlt das Tempogefühl. Was er dafür hat: ein reichhaltiges MultimediaAngebot und zupackende Bremsen.