Der Fünf-Liter-V8 erklärt sich und die Welt in elementarer Sprache. Nicht unbedingt um fünf Uhr morgens.
Konzertante Sommergewitter
2018 ford mustang 5.0 convertible
Er lungert vor der Tür wie ein Schlägertrupp, der dich in die Mitte nimmt – zu einem Picknick im Grünen. Hier werden Klischees serviert, freilich mit Ironie und Widerhall. Aus Brunst wird Kunst, das Biest überreicht Blumen, die Tattoos sind abwaschbar und das Gerotze aus dem Auspuff … ein Ständchen unterm Balkon. Selbst für Burn-outs, die hier natürlich gar nichts mit Überarbeitung zu tun haben, gibt es einen werksgesteuerten Modus.
So changiert der Fünf-Liter-Mustang ständig zwischen Klischee, Liebenswürdigkeit und aufgesetztem Klischee. Kühne Vorstellung, jemand würde das Auto lediglich wegen seines Stoffdaches wählen oder weil ihm das galoppierende Quarter Horse im Markenzeichen gefällt. But no way – dieses Pony-Car erwirbt niemand aus den falschen Gründen, schon gar nicht in der Fünf-Liter-Motorisierung. Hubraum bleibt Hubraum, solange es die Polizei erlaubt. Heraus kommen Leistung, Drehmoment und der Klang konzertanter Sommergewitter. In seiner aktuellen Darstellung erfreut das Mustang Cabrio durch eine gewisse Indifferenz gegenüber den Zeitläuften.
Dass das an sich elektrisch stülpbare Stoffdach mittels Drehriegel händisch fixiert oder geöffnet werden muss, kann man als Sicherheitsfeature, Schrulligkeit oder schlichtes Unvermögen (im Preis-Leistungs-Fenster) werten. Dass auch die Motorhaube nur mittels Drei-Euro- Metallstab aufzusprageln ist, lässt genauso an Einsparung denken wie die weiteren Minderwert-Details aus Motor- und Kofferraum. Anders herum betrachtet: Am Ford Mustang kann man noch ablesen, wie schwierig es ist, ein großes Auto zu bauen und dabei die Kosten nicht explodieren zu lassen.
Lenk mich doch! Selten so eine Überfrachtung gesehen. Was aber nicht bedeutet, dass die Funktionen einfach zu bedienen sind. Bloß keinen Radiosender suchen! Bei aller Wildpferdhaftigkeit: Coat Hangers in der Kopfstütze müssen halt sein
Denn der Mustang ist eine additive Maschinerie, ein Teil baut auf das andere, bis der gesamte Wagen fertig ist. Genau so könnte man ihn zerlegen, beginnend bei den drolligen Dreh-Knips-Dübelschrauben der Batterieabdeckung. Das alles weckt eine gewisse Zuneigung in verschränkten Zeiten, wo man den Oberflächen nicht mehr ansieht, wie sie zusammengefügt sind. Auch die Verwindungsfreudigkeit des Cabrio- Chassis erzeugt ein Badewannenkapitän-Feeling, dem man anderswo sentimentale Erinnerung zuspricht.
Diese Sentimentalität erlischt allerdings sofort, wenn man in den Echt-Zeitsprung gerät. 450 PS sind eine brachiale Leistung, freilich nicht mit dem 450 PS etwa eines M4-Coupés zu vergleichen. Man muss sich ja das ganze Mustang-Fahren als elementare Besonderheit vorstellen, adäquat zu Harley-Davidson-Hogs oder amerikanischem Kaffee. Man muss bereit sein, die Anforderungen neu zu definieren, und kann damit ein Neuland finden, in dem man sich grundwohl fühlt. Allerdings verblüffen dann einige Modernitäten, die sich dem Zeitgeist annähern, nicht immer mit Erfolg. Doch grundsätzlich ist das neue Arma turenTableau zu begrüßen, das sich den Fahrmodi anpasst.
Bei „Track“ beispielsweise ist nur mehr eine Drehzahl-Bandanzeige zu sehen, und im „Drag“-Modus (mit virtuellem Ampelstart) werden die Sekunden bis zur 100-km/h – Marke angezeigt. Es sollten nicht mehr als 4,8 sein, der Werksangabe entsprechend. Der Einstellungen gibt es jede Menge, etwa den „Gute-Nachbarschafts-Modus“, der über eine Zeitangabe (etwa „fünf Uhr morgens“ programmiert wird, damit sich die Loudness-Klappen artig verhalten beim Frühstart.
Auch so wird man reichlich emotionalisiert, denn diese Kraft- und Momentdurchsetzung beschäftigt alle Sinne, das Beben des Wagenkörpers, wenn die Kraft durchflutet, die Schwermechanik eines V8-Big-Blocks mit HD-Benzin-Direkteinspritzung alle Schleusen öffnet. Und ja, ein, zwei Mal im Mustang-Besitzerleben erprobt man natürlich die Burn-out-Funktion. Dazu genügt Niedertreten des Bremspedals bei gleichzeitiger Vollgasgabe. Die Elektronik erkennt die Absicht und gibt die Hinterradbremsen frei. Tipp zur Reifenschonung: Reichlich Geschirrspülmittel applizieren, natürlich vom biologisch Abbaubaren.
Das optional erhältliche und in unserem Testwagen natürlich verbaute Zehngang- Automatikgetriebe erfreut durch seine Fugenlosigkeit der Kraftweitergabe auch unter Last. Warum ein Momentwunder so viele Gänge benötigt, ist unklar. Tempo 50 im achten Gang – hm. Auf den Verbrauch scheint das geringe Auswirkung zu haben – 12,4 Liter/100 km Normdurchschnitt klingen nach Glory Days, unsere verhalten erfahrenen Testwerte lagen bei 13 Litern. Dass den Hau-drauf-Technikern durchaus Nachahmenswertes gelingen kann, zeigt das MagneRide-System, entwickelt by Delphi Electronics.
Man fährt ja eine Harley-Davidson auch nicht auf den Fußrasten. Also lieber Dach runter, Ellbogen rauf, Musik an!
In magnetor heologischen Stoßdämpfern befindet sich eine mit Metallpartikeln durchsetzte Flüssigkeit, deren Viskosität sich durch Anlegen einer Spannung praktisch in Echtzeit variieren lässt. Grundgeniales System, dessen sich nach GM (Cadillac, Corvette) mittlerweile auch Audi und Ferrari bedienen. So lassen sich auch die deutlich abgesetzten Modi „Comfort“ und „Sport+“ erfassen.
Freilich operiert der Mustang vorzugsweise im Federbett-Modus, wiewohl man den Lenk-Response gern ein wenig ins sportliche Fach regelt zwecks direkterer Umsetzung. Versuche, den 1,8-Tonnen-Wagen an seinen Grenzen zu erfahren, führen im Grunde zu nichts. Man fährt ja eine Harley auch nicht auf den Fußrasten. Lieber Dach runter, Ellbogen rauf, Musik an, passend rappt Donnis: Riding around town shawty, doing my thing in my Ford Mustang And my speakers bang, bang and my speakers bang, bang Aye I’m just riding around town shawty, doing my thing in my Ford Mustang And my speakers bang, bang and my speakers bang, bang.
DATEN FORD MUSTANG 5,0 TI-VCT GT V8 CONVERTIBLE
Preis € 67.950,– (NoVA 32%)
Basispreis 53.750,– (2,3 EcoBoost Convertible)
Steuer jährlich € 2.638,44
Motor, Antrieb V8 Benziner, 4951 ccm, 10-Gang-Automatik, Hinterradantrieb.
Leistung/Drehmoment 331 kW (450 PS) bei 7000 U/min, 529 Nmbei 4600 U/min.
Fahrleistungen 0-100 km/h 4,8 sec, Spitze 250 km/h, Normverbrauch ges./CO2 12,4 l/100 km/279 g/km.
Testverbrauch 14,8 l/100 km.
Dimensionen 2+2 Sitze, L/B/H
4784/1916/1394 mm. Wendekreis 12,2 m. Kofferraum 332 Liter. Räder/Reifen vorn 9J x 19, 255/40 R 19; hinten 9,5 J x 19, 265/40 R 19
Gewichte Leergewicht 1893 kg.
Zuladung 274 kg.
Ausstattung Audiosystem mit Touchscreen, LED-Scheinwerfer, Klappen- Auspuff mit 4 Endrohren, Sitze 6-fach elektr. verst., sechs Fahrmodi, 2-Zonen-Klima, Ledersitze, LEDRückleuchten, Rückfahrkamera, elektr. Stoffverdeck, Tempomat, Launch Control etc.
Sonderausstattung (Beispiel Testwagen): Metallic-Lack € 1070,–. Ford Navi incl. SYNC3 € 1820,–. Vordersitze beheizbar € 896. Magne- Ride-Dämpfersystem € 2997,–.